Dienstag, 5. Juli 2016

Riech mal was da spricht

Unabhängig und selbstverantwortlich entscheiden zu können, welche Nahrung für mich gesund und gut ist, das ist lange her. Denn ich rieche nichts mehr in unserer europäisch durchstandardisierten Welt. Es ist schon seit langem so, dass man mir die Fähigkeit entzogen hat, die Qualität meines Futters bewerten zu können: alles ist geruchsdicht verpackt.

Über die Genießbarkeit darf meine Nase und mein Tastsinn vor dem Kauf nicht mehr entscheiden, wenn ich vor den Discounterregalen spazieren gehe und mich ausschließlich die aufgedruckten Verfallsdaten und die lange Liste der Zutaten, Zusatzstoffe und deren Konzentrationen im Einzelnen und in Summe betrachtet informieren. Ich muss meinen rationalen Zahlengenerator der linken Gehirnhälfte beschäftigen und analysieren lassen, ob ich das jetzt essen soll. Schon bin ich verwirrt, durcheinander und von den Emotionen zur vor mir liegenden Nahrung entkoppelt.

Geschmackserinnerung kommt nur, wenn der Geruchssinn voranmarschiert, also soll ich das jetzt essen? Das Verfallsdatum ist ok, die Zutaten sind sicher nach EU Richtlinien standardisiert, die Verpackung absolut hygienesicher, Mahlzeit, das muss ja schmecken, ganz klar!
Ein Halbidiot, wer sich das einreden kann. Na gut mit etwas Übung geht das auch, dass man sich dann noch auf das Essen „freut“… Unser Immunsystem muss riechen können, damit es seine Aufgaben erledigen kann: es ist mit anderen Worten in der technischen Zivilisation komplett unterbeschäftigt. Quasi Trainingsverbot, wie soll es da richtig funktionieren bitte? Wie soll es da Entscheidungen treffen können zwischen dem Guten und dem Schlechten? Es wird von der Vernunft ausgehebelt und liest dann lieber in den einschlägigen Gesundheitsfeuilletons nach, was es tun soll. Entmündigt, ohne Selbstverantwortung, eigentlich allein gelassen.

Draußen auf der Straße riecht auch sonst nichts mehr, die Welt ist geruchsneutral geworden. Und wenn mal ein Geruch durchkommt, ist man geneigt zur Beschwerde zu greifen, es bricht sofort Einordnungsstress aus: Geruch darf´s doch gar nicht mehr geben.
In meinem Dorf ist das anders: da trainieren wir das Immunsystem gehörig! Gerüche sind wie Schnellzüge in die Vergangenheit. Sie lösen sofort Bilder, Stories und Filme in uns aus. Wissen sie noch, wie das Leder des alten Schulranzens in der Julisonne auf dem Schulhof gerochen hat? Oder die Tinte, insbesondere, wenn sie auf der Schulbank verschüttet wurde, auf der noch die Leberwurst-brotreste vom Vortag klebten? Oder wie war das als wir den Milchladen betraten und dieses Geruchsgemisch aus Frischkäse, Molke und fetter frischer Kuhmilch in uns aufnahmen? Die Liste wird endlos, wenn ich hier weitermache, bitte ergänzen Sie selbst…Aber waren es nicht jedes Mal tiefgehende und wohltuende Gefühle, wenn wir die Dinge um uns herum riechen konnten? Sie gaben Sicherheit und Orientierung.

Wundern wir uns jetzt noch, wenn ältere Menschen, die als unvermeidbarem Bestandteil des Alterns verstärkt auf äußeren Sicherheit und Orientierung über Gut und Schlecht gebenden sensorischen Input angewiesen sind, wenn die dann immer unsicherer und orientierungsloser werden?
Selbst Gestank ist wichtig: als Warnung „Achtung schlecht“. Es gibt woanders Welten wo das funktioniert, aber die setzen wir mit elend und Armut gleich, stimmt ja auch, aber trotzdem berauben wir uns aktiv unserer Sinne und Sinnlichkeit. Die neuen Medikamente gegen Alzheimer werden es schon irgendwann richten!

Alles was riecht kann zu uns sprechen, mit uns in eine Kommunikation treten, selbst die „tote“ Umwelt, und damit für uns sicher werden: der Granit in der Augustsonne riecht, Sand und Meer, die Kleider der anderen, unbeschriebenes Papier aus der alten Manufaktur.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass die Zunahme unserer Nahrungsmenge und damit unseres Gewichtes korreliert mit der Abnahme der Gerüche? Wir sind ganz wild auf endlich Riechendes, wenn es uns als Gericht gereicht wird: lecker, mehr davon, bloß weil endlich mal was riecht. Annahme: weil wir nichts mehr riechen dürfen, stürzen wir uns auf Riechendes: das Essen ist das fast das einzige was bleibt.

Ich gebe zu: diese Annahme muss noch einmal kritisch überprüft werden. Trotzdem will ich dasjenige Dorf, welches meine Geruchssinnlichkeit in Atem hält.

Facebook Dr. Uwe Klein

Healthy-Ageing.de

Mittwoch, 22. Juni 2016

Aufruf zur Stadtentwicklung

HCSI entwickelt „Senior Healthy Ageing Villages“ (DAS DORF) südlich des Wendekreises der Überwinterung. Diese DÖRFER werden neue oder zweite Heimat für Pensionäre aus den nördlichen Ländern Europas. Sie werden echten europäischen Gemeinschaften neue Impulse verschaffen. Die Menschen über 60 werden nicht fern von heute die Mehrheit bilden.

Die Gemeinschaft bietet alle Annehmlichkeiten und Dienstleistungen, die erforderlich sind, um den Lebensstil im Sinne präventiver Geriatrie zu optimieren: damit eine Selbst-Pflege der Älteren in einer sozialen Umgebung gefördert wird, welche für das beste Drittel des Lebens gedacht ist.
Als unsere heutigen Städte und Metropolen in den frühen Jahren der aufkommenden technischen Zivilisation - 150 – 200 Jahre ist das her – war die Lebenserwartung gerade mal 60 – 65 Jahre. Die wenigen Jahre bis zum erwarteten Ableben hat man damals nicht als zusätzliche städtebauliche Herausforderung abgesehen. Die Städte wurden bezüglich der Infrastruktur für die arbeitende Bevölkerung optimiert, für Kindererziehung, Mobilitätslogistik von Zuhause zum Arbeitsplatz und zu den Zentren für Einkaufen und Unterhaltung. Lebensmittel wurden in die Stadt gebracht von landwirtschaftlichen Produktionsorten außerhalb: „Dörfern“ mit Bauern darin.

Wenn wir jetzt über „Senioren Gesundheits-DÖRFER“ sprechen, fokussieren wir damit auf eine bislang unbeantwortete Frage: „Wie sollen und müssen Dörfer aussehen, die von Personen jenseits des aktiven Arbeitslebens im Alter 55+ zu 80% bewohnt werden?“ Was fordert deren Lebensstil in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihrer Wohnung? Wie sehen dort die Einkaufsgelegenheiten aus und wo sind diese gelegen? In welcher Art und Weise sind Wohneinheiten zusammengeführt? In welcher Art und Weise unterstützt die Infrastruktur und das räumliche Beziehungskonzept des Ortes die Bedürfnisse und das Selbstpflege-Verhalten der Älteren?


Keiner hat um 1850 und lange danach damit gerechnet, dass in 20 Jahren die Hälfte der Bevölkerung 60 und älter sein wird, verbunden mit einer grundsätzlichen Änderung der gelebten Werte und des Lebensbedürfnisse im Vergleich zu den kindererziehenden Familien und Singles jüngeren Alters…
Keiner wusste damals soviel über die hormonellen und physischen Komponentenänderungen, welche unser Gehirn und den restlichen Körper betreffen. Und was es bedeutet uns als Ältere so lange wie möglich gesund zu erhalten.

Das fängt an mit der Sturzprävention, geht weiter mit dem Bemühen Bewegung und Training gegen den nachlassenden Trend der Bewegungsvermeidung im Alter zu fördern, beinhaltet ein gutes Angebot an physiotherapeutischen Dienstleistungen, ruft nach Barfußgehstrecken und es schließt soziale Tätigkeiten und handwerkliche Fertigkeiten für Nachbarn und kleine Produkte mit ein, welche die Geschicklichkeit von Händen und die Kreativität erfordert.


Es gibt genügend Wissen und Ideen darüber, was man in einem solchen DORF erleben möchte (siehe auch: druweklein.blogsdpot.com), aber wo stecken die wissenschaftlich fitten Designer, Architekten und Bauingenieure, die in einem Team das „Senior Healthy Ageing Village“ entwickeln wollen und können? Wo sind diese Leute: wir brauchen Sie. Bitte schreiben Sie an HCSI.

Sonntag, 19. Juni 2016

Healthy Ageing in Poland


Would you expect a warm and perfect hospitality in a small region in Southern Poland? I would not have thought about to go and look around there, but as I have visited now Busko-Zdrój near Krakow, being one of a group of several well known experts in international medical tourism, I need now to broaden my horizon. Well, actually the people in this village did it for me as they were able to open our eyes for options on how to organize a wellness, spa and rehabilitation village.
We were meeting a place where senior healthy ageing is friendly embedded in the service portfolio, the structure of this village, the offers on hospitality and the range of medical wellness and rehabilitation treatment opportunities. The air is absolutely clean, surrounded by an extended green lung and Ilan found that he never saw doves so big and fat in the park, so he assumed it must be a healthy place for humans as well...

The people of the region seem just to have started a discovery tour for all their opportunities of which they were not fully aware by themselves. They in fact have many medical professionals, care knowhow, hospitality, spa and wellness facilities, authentic and historic attractions all in close vicinity. What is lacking still is an integration of those assets. But that seems to be under way.
Why is all this important for seniors? When you have reached a certain point in the process of ageing it comes to you that maintenance of yourself is something which you cannot buy in the supermarket or order by internet. It is composed of many things you need to do with your body, a lot of unlearning needs to come and many new habits want to be installed in order to reward yourself with the feeling of wellbeing. Not everywhere the  reshaping of your body functions and parts is possible easily. You need the triggers, the surrounding, the incentives, the acknowledgement for your efforts, the leisure time, and the professional reinforcement to make it happen.

While walking through the central park of Busko-Zdrój you cannot avoid to get in touch with the world in the treetops: birds all over the place signal a peaceful, easy and attractive playground. Your heart will be at ease. And there is one more hidden secret: whereas in the Alps the winter has left us with artificial snow, they have, snow, ice, sun and slopes in January and February.
Who said that Healthy Ageing is only possible in a region with a constantly warm climate below the Zodiac of Hibernation? Me? I would deny this strongly…

The Zodiac of Hibernation: concept by HCSI




Dienstag, 14. Juni 2016

Von Blizzard bis warm und wohlig

Irgendwann während des munter vor sich Hinlebens, sagen einem die Knie- und Rückengelenke, wie draussen das Wetter ist. In der Nachkriegszeit band man sich ggf. Katzenfelle um die Knie, danach kam die Periode des sozialen Wohnungsbaus und immer weiter fortschreitender gesunder Wohn- und Heizkultur. Hilft aber alles nichts gegen die generelle Klimazone in Zentralgermanien mit der aufreizenden Mischung von feucht und kalt, welche bis in jeden Gelenkwinkel zu kriechen scheint.
Das ist anatomisch und physiologisch alles erklärbar, denn unsere Gelenke sind halbe Kaltblüter und stark von Aussentemperaturen beeindruckbar. In ihrer Gesamtheit so etwas wie ein integrierter Wohlfühlomat mit durchaus penetranter Warnfunktion.
Kein Wunder, dass „warm und feucht“ gern besuchte Locations sind, im Urlaub und im Alter dann noch mehr.
Die Alternative dazu ist die trockene, knackige Kälte draussen im Wechsel mit trockener knackiger Strahlungswärme vor dem offenen Kamin im nördlichen Winter – dem Bilderbuchwinter halt…
Kein Wunder, dass die Wahl des Platzes für ein Altendorf extrem wichtig ist und sich an den Klimatabellen orientiert.

Variatio delectat – Abwechslung erfreut – wusste das antike Rom und desgleichen bezieht sich auch auf unsere komplizierten Alterungsvorgänge. Als vorherrschender Zustand ist jedoch das warme und erträglich feuchte Klima eindeutig bevorzugt. Kalt und feucht, wie regelmäßig im Atlantikwinter an der Algarve ist eindeutig bäh!

Unser Wohlfühlomat wird uns ein Dörfchen danken, welches ein warmes Plätzchen bereithält. Vorgewärmte Gelenke sind leichter zu bedienen und bewegen sich viel lieber. Das alles tut unserer Gesundheitsverfassung gut und fördert Healthy Ageing. Ja man muss eben integriert denken! Es reicht nicht ganz, wenn ich 10 Fitnesszentren ins Dorf hinstelle, aber die Bewegungsunlust wegen kälte- und feuchteinduzierter Bewegungsstarre erstmal geknackt werden muss.

Lebendige Katzen sind netter.

Facebook Dr. Uwe Klein

Healthy-Ageing.de

Samstag, 28. Mai 2016

Wasser-, Wind- und Vogelsprache

Wir kennen doch fast alle diese Hollywood Horrorfilme in welchen es darum geht, dass ein Monsterwesen mit unbekannter biologische Herkunft, aber eindeutig menschenfeindlichen Absichten aus dem Dunkeln der Sumpfwasser völlig unerwartet hoch schiesst und zwei sich gerade näherkommende Teenager verspeist. Als erfahrener Kinogänger wissen wir bereits 10 Sekunden vorher dass das Unheil gleich ausbricht, weil unsere Warnungssensoren bereits of ultrarot sind. Dafür ist die Post-Production verantwortlich, welche 10 Sekunden vor dem Unheil das romantische nächtliche Gezwitschere und Gequake der umgebenden Tierwelt im Audiokanal ruckartig auf Null abgesenkt hat. Die Tierwelt bemerkt eine Gefahr und verstummt, während diese dämlichen Teenager munter weiterknutschen und nichts zu bemerken scheinen. Liebe scheint auch noch taub zu machen…
Ein Urzeitreflex vermittelt und interpretiert laufend und ständig den 24 h neuronalen Input, den wir aus unserer natürlichen Umwelt erhalten. Diese Interpretationen müssen wir nicht lernen, die machen mit uns einfach. Lernen müssen wir wie das Stottern eines Motors oder das Quietschen von Bremsen zu interpretieren ist.
Der Friede im Altendorf wird nicht nur durch Abwesenheit von Lärm oder drohendem Kulturkampf mit missionierenden Zeitgenossen erhalten, sondern kann permanent genährt werden durch entsprechende Wahrnehmung der Wasser- Wind und Vogelsprache.


Zwitschernden Vögeln geht es gut: also….Leicht säuselnder Wind bringt frische Luft, vertreibt die Stickigkeit und lässt die Blätter in den Bäumen „leben“: also….Und leises, unaufdringliches Wasserplätschern eines gurgelnden Bächleins bringt unserem Unterbewusstsein beruhigend in Erinnerung, dass wir zu Trinken in der Nähe haben, auch wenn wir lieber ein kühles blondes „Leffe“ zu unserem Ruhesitz bestellen: also…alles friedlich. Das tut gut.
Um es aber klar zu sagen: aus dem Lautsprecher hinter dem Oleanderbusch darf das nicht kommen! Das muss schon real sein, sonst können wir ja gleich ins Kino gehen und den ganzen Tag Tierfilme anschauen. Baut bitte so einen Platz für mein bestes Drittel, wo das alles echt ist!

Facebook Dr. Uwe Klein

Healthy-Ageing.de

Samstag, 5. März 2016



Der in- und auswendige Seiltanz

Nach der Aufarbeitung der Midlife Crisis – die wohlgemerkt jeden ergreift, ob er es gemerkt hat oder nicht – scheint sich unser genetisch geplantes Alterungsprogramm auf immer mehr Stabilität zu konzentrieren. Wohlwissend, dass die physiologischen Vorgänge in uns sich immer mehr einem Seiltanz annähern und unsere Bandbreite die Welt zu ertragen schmäler wird.
Wir meinen jenseits der 60 tatsächlich immer häufiger, dass die Welt da draussen immer unzuverlässiger wird, immer chaotischer, immer unverständlicher…Dabei denke ich, dass sie genauso vor sich hinrödelt wie zu den Zeiten unserer Jugend und sich bloss unsere Wahrnehmung verschoben hat. „Des hätts zu unserer Zeit net gehm…“! Diese Reaktion ist im spezifischen vielleicht dann richtig, aber in der Bewertung, nämlich der Vermutung eines demnächst drohenden Weltuntergangs, übertrieben. Die Jugend lächelt, sie geht damit ganz anders um. Was sollen die also von uns Älteren eigentlich lernen? Überschätzen wir uns da?

Innere Gelassenheit wird ein höheres Gut im Alter, weil automatisch knapper. Aber ist es nicht wunderbar, dass wir unser Gehirn managen können und uns die innere Gelassenheit wieder herholen können? Ach was, sagen Sie…Psychotherapeut oder was?

Nein, bitte nicht, sage ich: machen wir uns mal klar, dass unser Gehirn untrennbar mit unserem Muskelsystem verbunden ist. Die meisten Anteile von unserem „Gedächtnis“ sind nicht Teil der morphologischen Substanz unserer Hirnmasse, sie sind ein dynamisches Geflecht aus allen Wahrnehmungskomponenten aus unserem Körper. Wie merkt sich ein Bühnenschauspieler so viel Text? Nur dadurch, dass er bestimmte Körperhaltungen und Bewegungen mit dem Text verknüpft. Dieser fällt ihm dann auch nur ein, wenn er die entsprechende Motorik unternimmt.

Und jetzt reden wir mal über Seiltanz. Schon mal gemacht? Ich auch nicht, aber mit 80 möchte ich das beherrschen und dann im großen Amphitheater in meinem Altendorf Applaus erhalten, wenn ich mich – in, ok, 3 Meter Höhe mit Matratze untendrunter – um die eigene Achse drehe. Stabilität besteht bei uns Älteren nicht im Herumhocken oder stundenlangem Strandstehen, sondern in der motorischen Kunst der ständigen dynamischen Balance, eher dem Gegenteil, was wir mit technischer Stabilität assoziieren. Die motorischen Übungen hierzu haben ungeahnte Auswirkungen auf die Stabilität unserer Psyche, wenn es darum geht der Welt mit Gelassenheit zu begegnen. Stabilität ist hier gleich Flexibilität von Bändern, Sehnen, Muskeln, Faszien und Gelenken.

Wenn wir erst einmal gelernt haben uns in 3 Meter Höhe auf einem Spannseil um die eigene Achse zu drehen, können diese Medien um uns herum gerne berichten, wieviel schreckliches wieder passiert ist, ohne dass wir es beeinflussen können. Also, hilflos sind wir dann jedenfalls nicht mehr, eher immun.

Wie? Sie sind unter 60 Jahre alt und wollen das auch jetzt schon ausprobieren? So war das aber nicht gemeint…J

Samstag, 6. Februar 2016

Was auf die Augen kriegen

Es ist schön und auch entstressend, wenn wir die Umwelt als stabil wahrnehmen, d.h. täglich das Gleiche sehen, mal abgesehen von den zu erwartenden Einflüssen des Wetters. Ältere Menschen brauchen und wollen nicht ständig was Neues, aber sie brauchen „immer wieder mal“ was Neues! Ja, was jetzt: Veränderung oder immer das Gleiche?? Sowohl als auch.
Was wir nicht sehen wollen sind nur zum Beispiel jeden Tag um uns herum Baustellen in der Aussenwelt, neue Bewegungshindernisse, welche unsere eingeübten Bewegungsmuster auf dem Weg zum Bäcker stören. Aber wenn es schöne Anblicke oder Ausblicke hat, Ecken der speziellen Aussichten, welche durch ihre natürliche Ästhetik begeistern, dann ist das durchaus willkommen.
Insbesondere, wenn diese Plätzchen ein Ort des Kontaktes sein können, des Verweilens, Ausruhens, um etwas zu Lesen oder auch nur um den Blick schweifen zu lassen. Dort möchten wir ab und zu eventuell schon mal was Neues entdecken dürfen!

Hein und Fietje sassen täglich 4 Stunden am Elbufer und erfreuten sich am Gucken. Schiffe aller Herren Länder zogen vorbei und in einem dem norddeutschen Gemüt entsprechenden Ausmass fielen Kommentare hie und da oder wurden Fragen diskutiert. Das konnten die beiden stundenlang und auch wenn es weniger gewechselte Worte waren als in 1 Minute in Neapel auf dem Fischmarkt, so hatten sie doch das Gefühl mal wieder intensiv und ausgiebig alles besprochen zu haben. Sowas hält jung.
Ich hoffe, ich treffe dann auch mal den Piet, der mit mir auf einem Vorsprung im Altendorf sitzt und über die Dächer blickt und noch ca. 70 km weit übers Meer nach Süden schauen kann, bis dahin wo die Erdkrümmung einsetzt. So und nicht anders muss auch griechische Philosophie ihren Ursprung gefunden haben, denke ich und natürlich müssen wir beide jetzt das Universum analysieren und den Vogelflug begutachten.
Aber nicht nur das: wir freuen uns auch an Helena, 25 Jahre, eine lebendig gewordene Statue der Antike, welche lächelnd nach uns schaut, ob wenigstens einer seinen Rollator mitgenommen hat. Wir wissen diesen Blick sehr zu würdigen und unser Immunsystem auch, wenn es in die großen dunklen Augen dieser Mittelmeerschönheit blickt und dort die Zukunft entdeckt, die aus einer jungen Person heraus uns anschaut. Wir mögen dann alles Mögliche für sie in unserer Phantasie für sie erfinden: eine Familie, Kinder, wie sie tanzen und wie sie schimpfen kann. Unsere inneren Augen verselbständigen sich und wir lächeln zurück. Auch natürlich, weil wir die Absicht ihres Nachsehens nach uns als einen Teil ihrer diskreten Fürsorge interpretieren. Helena ist im ambulanten Pflegeservice des Dorfes tätig und wohnt auch im Village. Wir sehen sie manchmal abends auf der Agora, wenn wir uns gutgelaunt runter zum Strand schleichen, um im „Bad Boys Harbor Inn“ unter den Klippen versteckt einen Absacker zu nehmen – oder zwei oder so halt.

Wir haben an diesem Tag dann ordentlich „was auf die Augen gekriegt“, die äußeren und die inneren. Diese Stunden haben sich schon wieder gelohnt.

Samstag, 30. Januar 2016

Gehwerkzeuge im Senior Village

Soweit die Füsse tragen, sollte man sie benutzen. Im Alter tragen sie dich zunehmend weniger weit. Die tägliche Gehstrecke älterer Menschen nimmt fatalerweise ab. Fatal deswegen, weil die tägliche Motorik nachweislich lebensverlängernd und gesunderhaltend wirkt.
Man sollte an einem Ort sich niederlassen, wo tägliche Gehstrecken von mindestens 300 Metern mehrfach täglich zurückzulegen sind. Zur Erledigung von täglichen Bedürfnissen. Oder man benutzt das Fahrrad solange die Gleichgewichtsorgane noch nicht rinks mit lechts velwechsern.
Das bringt mich zum Thema Tanzen. Ich habe das rasend gerne gemacht und zwar ohne vorgegebene Muster wie es der Walzer, der Cha-Cha-Cha, der Tango und die ganzen Klassiker oder sogenannten Modernen vorschreiben. Meiner Meinung nach ist das eher was für unentspannte Krampfhennen (und –hähne), die keine eigene Phantasie besitzen. Ich finde es geht sogar der Ur-Intention des Tanzens zuwider, entsprungen einer verklemmten Bourgeoisie, die sich nicht ganz traute sich selber einen Ausdruck zu verleihen. Oder ist der klassische Tanz etwa genau dieser Ausdruck deren Selbstverständnisses? Das ist eigentlich so egal, dass es schmerzt, weil: es ist Vergangenheit. Hier geht’s um die Zukunft, die des schönen und lustigen Alterns.

Bewegung fängt dann an richtig Spass zu machen, wenn sie länger als mindestens 20 Minuten dauerhaft anhält, dann stürmen unsere Endorphine oder das was von ihnen noch über ist aus den letzten Hirnwinkeln in höher gelegene Etagen der Weltempfindung und treiben den Motor der Motorik erst richtig an.
Ich gehe garantiert – Gründe siehe oben - nicht zum Tanztee, aber trotzdem will ich tanzen. Alternative die Ü 30 Party mit offener Tanzfläche auf welcher ich sobald die Musik beginnt der einzige Wirbelwind bin und meine Bewegungsmuster eher als Tourette Syndrom eingeordnet werden, denn als Ausdruck meiner spontanen Bewegungsfreude zur Musik? Ich habe nie verstanden, warum jüngere Generationen immer erst eine Stunde lang warten müssen, bevor sie selbst auf die Tanzfläche schleichen. Sind da innere Hemmschwellen am Platze? Ratschlag: den eigenen und selbst ja nur eingebildeten Ruf ein guter Tänzer zu sein sofort öffentlich ruinieren! Denn man weiss doch: ist der Ruf erst ruiniert, lebt sichs völlig ungeniert. Der Partner-Derwisch lässt nie lange auf sich warten und siehe da: er oder sie ist dann meistens aus unserer Altersklasse. Das letzte Drittel des Lebens öffnet alle bislang verschlossenen Türen und wofür man früher Überwindung glaubte zu brauchen, braucht man heute nur einen gut organisierten Alterslebens- und bewegungsraum.
Und den werde ich finden in einem Senior Healthy Ageing Village – so hoffe ich. Das Tanzen auf öffentlichen Plätzen sollte dort nicht untersagt sein, sondern die Strassen und Plätze sollten dort mit den blau-weissen Verkehrs-Hinweisschildern belegt werden: „Tanzen bis zu 30 km/h empfohlen“.

Mal sehen wo es das gibt…

Von der "Gründlichkeit"

Wie Sie jetzt bereits von meinen ersten zwei Blogs wissen, mache ich mir Gedanken über meinen Aufenthaltsort in der Zukunft und das Senior Healthy Ageing Village, wo auch immer das sein wird.
Ich denke da an einen Ort – einen Ort mit 1000 Einwohnern – welche alle mit Konsequenz kapiert haben, dass ein gesundes Altern im letzten Drittel unseres Lebens ein unvergleichbar hochwertiges Geschenk ist. Es ist eines der Geschenke, welches man sich selber machen kann, wenn man gelernt hat sich selbst richtig zu programmieren. Dazu braucht man keinen Programmiercode, sondern nur Schlauheit zum Leben und, ja eben, den richtigen Ort! Und die Schlauheit sollte man spätestens mit 60 erworben haben.
Jedes Mal, wenn ich nach draussen gehe, stellt sich in 99% der Fälle die Frage: habe ich die richtigen Schuhe an? Wobei ich – männlicher Natur von Geburt an – dabei nur auf Fragen achte, wie ist Untergrund, Feuchtigkeit, Kälte, Bequemlichkeit….basta. Wie wäre es an einem Ort meiner Zukunft, wenn ich auf das Schuhwerk in 99% der Fälle verzichten könnte, weil durch die richtige Mischung von Untergrund und Barfusstraining Schuhwerk entbehrlich wird? Ha, das wäre doch ein sich dieser teilweise unnötigen Versatzstücke der städtischen Zivilisation – genannt Schuhe – entledigendes, neuartiges Freiheitsgefühl mit Kitzelgarantie von unten. Auch Frauen hätten dann nicht diese Qual-der-Wahl Konflikte.

Sonntag, 17. Januar 2016

Das beste Drittel unseres Lebens


Wie erreicht man dieses Ziel: gesund Altern? Wünschenswert wäre es ja. Vieles dazu ist klar, liegt auf der Hand, 1000 Mal beschrieben, Oma wusste das auch schon oder man hat es persönlich erlebt.
Die „Unwirtlichkeit unserer Städte“ (Alexander Mitscherlich) hat in meiner Generation viel ausgelöst. Im Alter von 65 – das werde ich dieses Jahr – fällt mir dieses Buch wieder ein, wenn man den Platz für das beste und letzte Drittel seines Lebens sucht.
Jede Menge Verbesserungspotential in der Stadtgestaltung, Verkehrsplanung und Wohnungseinrichtung fällt einem dann plötzlich auf: die Perspektiven sind anders geworden, daher. Etliche von uns drängen im Alter ins Ausland und suchen den klimatisch vergoldeten Ruhesitz. Da war doch früher im Urlaub zumindest vieles als „besser“ erlebt! Doch bald merken diese, dass ein „Pseudoaufgehobensein“ in teuren und durchgestylten 4 bis 5 Sterne-Sonnen-Welten auf Dauer kotzlangweilig ist.
Welchen Herausforderungen soll man sich stellen? Es muss etwas geben jenseits der Enkelkindbetreuung und Coaching von Midlifekrisen der eigenen Kinder. Auch jenseits der Diskussionsrunden in Alterstreffs, welche die vergangenen Denkmuster repetieren - ohne dies zu merken natürlich.
Wir brauchen im Alter geistige und körperliche Herausforderungen, welche eine produktive Komponente verlangen und sich nicht im virtuellen und passiven Mitdiskutieren mittels innerer Dialoge bei unseren Talkshows mit Volkserziehungscharakter in den Hauptkanälen erschöpfen. Diese Kanäle streben die Verwaltung unserer Gehirne an, welche durchaus zu viel mehr imstande sind, als sich verwalten zu lassen…
Gut, man könnte sich noch als Marsianer bewerben und mal eine dreijährige Reise planen. Völliger Verlust des Zeitgefühls soll ja gut sein fürs Immunsystem. Der Marstrip würde dann auch vom Unterhaltungswert keinen grossen Unterschied machen zu einem Seniorendasein, welches sich an den verfügbaren Lebensweisen in den üblichen Altersheimen orientiert. Der Thrill, ob man zurückkäme oder in den Genuss einer All-Bestattung kommt wäre allerdings reizvoll.
Ich lese gerade Ludwig Marcuse: „Das Märchen von der Sicherheit“, zum 5. Male glaube ich. In einer Kultur, welche so derartig krass vom Primat-Wert „Sicherheit“ geprägt ist wie Zentralgermanien, klingt allein dieser Buchtitel wie eine sokratische Unverschämtheit, der man am besten gleich mit dem Schierlingsbecher und nicht mit Nachdenklichkeit begegnen sollte. Da ich keine Depressionsmuster als Überlebensstrategie pflege – das Gefühl der ständigen Abhängigkeit von der „Sicherung“ durch andere macht eher richtig schwach und depressiv – denke ich also nach….Was dabei rausgekommen ist mündet in meiner persönlichen Erkenntnis: „Sicherheit ist die Kompetenz zum Handeln“ und mit Sicherheit eben keine Police.
Diese Handlungskompetenz in Eigenkontrolle wird im letzten Drittel des Lebens immer gefragter, denn die Handlungs-Spielräume werden immer mehr und immer mehr selbst-definiert! Obwohl alle davon reden, dass sich das Leben einengen würde, Unsinn. Während der/die berufstätige/r Familienvater/mutter in unserer Industriegesellschaft unzweifelhaft in diversen Hamsterrädern herumhetzen bis zur Rente, wird es dann nach dem „grossen Umbruch“ total anders. Jetzt auf einmal haben wir jenseits der 60/65 nicht nur die Chance, sondern sogar die Notwendigkeit uns täglich selbst zu bestimmen.
Der Körper zeigt nun Grenzen auf. Hat er früher auch schon, aber damals haben wir ja nicht hingehört, sondern uns in den angeblich “wohlverdienten“ Urlaub quasi als Gesundheitsschämer geflüchtet. Und jetzt?
Das geht schon morgens los: stehe ich endlich früh auf und will kalt duschen? Wie sieht es mit Morgengymnastik aus? Fitnesscenter? Mit Fahrrad oder Auto dorthin? Wann und wo der Morgenkaffee? Wo und wann hole ich meine Informationsaufnahme über die Aussenwelt ab? Wer steht auf meiner sozialen Kontaktliste? Ok…jetzt ist es danach dann gerade mal 9:15 h und die Wahlfreiheiten sich für ein besonderes Ziel von enormer Bedeutung zu entscheiden sind schier exponentiell. Das war früher eventuell sogar auch schon der Fall, bloss hat es damals keiner gemerkt in den durchorganisierten Welten der Fremdbestimmung, welche wir täglich fleissig umdefiniert haben in: „haben wir so entschieden…“ Haha.

Meine persönliche Frage an meine eigene Zukunft ist: will ich in ein Senior Village auf Kreta ziehen? Gibt es dort Healthy Ageing für mich? Oder werde ich dort ein „Kunstleben“ führen, umgeben von weiteren 999 Gestrandeten mit Pflege High Tech, Robatoren (Robotik-Rollatoren) oder was Silicon Valley mir sonst noch von meiner Rente abziehen möchte? Die Kneipenseligkeit vergass ich bislang als stabilisierenden Faktor für Körper, Geist und Seele zu erwähnen. Mehr davon im nächsten Blog.

Blogs von Dr. Uwe Klein auch auf healthy-ageing.de