Wie erreicht man
dieses Ziel: gesund Altern? Wünschenswert wäre es ja. Vieles dazu ist klar,
liegt auf der Hand, 1000 Mal beschrieben, Oma wusste das auch schon oder man
hat es persönlich erlebt.
Die
„Unwirtlichkeit unserer Städte“ (Alexander Mitscherlich) hat in meiner
Generation viel ausgelöst. Im Alter von 65 – das werde ich dieses Jahr – fällt
mir dieses Buch wieder ein, wenn man den Platz für das beste und letzte Drittel
seines Lebens sucht.
Jede Menge
Verbesserungspotential in der Stadtgestaltung, Verkehrsplanung und
Wohnungseinrichtung fällt einem dann plötzlich auf: die Perspektiven sind
anders geworden, daher. Etliche von uns drängen im Alter ins Ausland und suchen
den klimatisch vergoldeten Ruhesitz. Da war doch früher im Urlaub zumindest
vieles als „besser“ erlebt! Doch bald merken diese, dass ein
„Pseudoaufgehobensein“ in teuren und durchgestylten 4 bis 5 Sterne-Sonnen-Welten
auf Dauer kotzlangweilig ist.
Welchen
Herausforderungen soll man sich stellen? Es muss etwas geben jenseits der
Enkelkindbetreuung und Coaching von Midlifekrisen der eigenen Kinder. Auch
jenseits der Diskussionsrunden in Alterstreffs, welche die vergangenen
Denkmuster repetieren - ohne dies zu merken natürlich.
Wir brauchen im
Alter geistige und körperliche Herausforderungen, welche eine produktive
Komponente verlangen und sich nicht im virtuellen und passiven Mitdiskutieren
mittels innerer Dialoge bei unseren Talkshows mit Volkserziehungscharakter in
den Hauptkanälen erschöpfen. Diese Kanäle streben die Verwaltung unserer
Gehirne an, welche durchaus zu viel mehr imstande sind, als sich verwalten zu
lassen…
Gut, man könnte
sich noch als Marsianer bewerben und mal eine dreijährige Reise planen.
Völliger Verlust des Zeitgefühls soll ja gut sein fürs Immunsystem. Der
Marstrip würde dann auch vom Unterhaltungswert keinen grossen Unterschied
machen zu einem Seniorendasein, welches sich an den verfügbaren Lebensweisen in
den üblichen Altersheimen orientiert. Der Thrill, ob man zurückkäme oder in den
Genuss einer All-Bestattung kommt wäre allerdings reizvoll.
Ich lese gerade
Ludwig Marcuse: „Das Märchen von der Sicherheit“, zum 5. Male glaube ich. In
einer Kultur, welche so derartig krass vom Primat-Wert „Sicherheit“ geprägt ist
wie Zentralgermanien, klingt allein dieser Buchtitel wie eine sokratische
Unverschämtheit, der man am besten gleich mit dem Schierlingsbecher und nicht
mit Nachdenklichkeit begegnen sollte. Da ich keine Depressionsmuster als
Überlebensstrategie pflege – das Gefühl der ständigen Abhängigkeit von der
„Sicherung“ durch andere macht eher richtig schwach und depressiv – denke ich
also nach….Was dabei rausgekommen ist mündet in meiner persönlichen Erkenntnis:
„Sicherheit ist die Kompetenz zum Handeln“ und mit Sicherheit eben keine
Police.
Diese
Handlungskompetenz in Eigenkontrolle wird im letzten Drittel des Lebens immer
gefragter, denn die Handlungs-Spielräume werden immer mehr und immer mehr
selbst-definiert! Obwohl alle davon reden, dass sich das Leben einengen würde,
Unsinn. Während der/die berufstätige/r Familienvater/mutter in unserer
Industriegesellschaft unzweifelhaft in diversen Hamsterrädern herumhetzen bis
zur Rente, wird es dann nach dem „grossen Umbruch“ total anders. Jetzt auf
einmal haben wir jenseits der 60/65 nicht nur die Chance, sondern sogar die
Notwendigkeit uns täglich selbst zu bestimmen.
Der Körper zeigt
nun Grenzen auf. Hat er früher auch schon, aber damals haben wir ja nicht
hingehört, sondern uns in den angeblich “wohlverdienten“ Urlaub quasi als
Gesundheitsschämer geflüchtet. Und jetzt?
Das geht schon
morgens los: stehe ich endlich früh auf und will kalt duschen? Wie sieht es mit
Morgengymnastik aus? Fitnesscenter? Mit Fahrrad oder Auto dorthin? Wann und wo
der Morgenkaffee? Wo und wann hole ich meine Informationsaufnahme über die
Aussenwelt ab? Wer steht auf meiner sozialen Kontaktliste? Ok…jetzt ist es
danach dann gerade mal 9:15 h und die Wahlfreiheiten sich für ein besonderes
Ziel von enormer Bedeutung zu entscheiden sind schier exponentiell. Das war
früher eventuell sogar auch schon der Fall, bloss hat es damals keiner gemerkt
in den durchorganisierten Welten der Fremdbestimmung, welche wir täglich
fleissig umdefiniert haben in: „haben wir so entschieden…“ Haha.
Meine persönliche
Frage an meine eigene Zukunft ist: will ich in ein Senior Village auf Kreta
ziehen? Gibt es dort Healthy Ageing für mich? Oder werde ich dort ein
„Kunstleben“ führen, umgeben von weiteren 999 Gestrandeten mit Pflege High
Tech, Robatoren (Robotik-Rollatoren) oder was Silicon Valley mir sonst noch von
meiner Rente abziehen möchte? Die Kneipenseligkeit vergass ich bislang als
stabilisierenden Faktor für Körper, Geist und Seele zu erwähnen. Mehr davon im
nächsten Blog.
Blogs von Dr. Uwe Klein auch auf healthy-ageing.de
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